Entwicklung eines Netzmanagers als zentrale Planungs- und Regelungseinheit zur Erbringung von Systemdienstleistungen und zur Ermöglichung der Inselnetzfähigkeit einer Industriezelle
INZELL
Infolge der Verdrängung von konventionellen Großkraftwerken im Kontext nationaler Klimaschutzbemühungen entstehen offene Flanken im Bereich der Systemsicherheit. Um weiterhin eine hohe Qualität, Zuverlässigkeit und Sicherheit bei der Stromübertragung und -verteilung zu gewährleisten, müssen insbesondere bei der Bereitstellung von Blindleistung im Übertragungsnetz, der Momentanreserve, die nicht mehr systemimmanent in vielen Erzeugungs- und Bezugsanlagen vorhanden ist und dem Netzwiederaufbau, der bislang mittels Großkraftwerke geplant ist, neue Maßnahmen zum Schließen der Lücken gefunden werden.
Aufgrund zunehmend kostensensitiver Fertigungsprozesse bei deutschen Industriebetrieben besteht die Anforderung an eine hohe Zuverlässigkeit der Stromversorgung. Da sowohl länger andauernde Versorgungsausfälle als auch Spannungseinbrüche des öffentlichen Versorgungsnetzes zu hohen Kosten durch Produktionsstillstand und Schäden führen können, wird auch der Aspekt der Eigenabsicherung bzw. der höheren Versorgungsqualität bedeutender. Des Weiteren sind speziell energieintensive Industrieunternehmen gefordert, die zum Teil bisweilen bereits bestehende Eigenerzeugung weiter auszubauen und Flexibilitäten zu erschließen, um unabhängiger von hohen Strombezugskosten zu sein.
Vor diesem Hintergrund adressiert das Bundesforschungsprojekt INZELL das Feld der Erneuerbaren Energien und verbindet Fragestellungen aus dem Bereich der Versorgungszuverlässigkeit aus Sicht von Industriebetrieben sowie der Systemsicherheit aus Sicht der Netzbetreiber. Das übergeordnete Ziel des Vorhabens ist die Entwicklung und Demonstration eines Netzmanagers als eine zentrale Planungs- und Regelungseinheit für einen Industriebetrieb am Beispiel des Mittelspannungswerksnetzes der Firmengruppe Max Bögl am Standort Sengenthal bei Neumarkt in der Oberpfalz, das zahlreiche Erneuerbare-Energien-Anlagen und einen Batteriespeicher umfasst.
Anhand eines Last- und Erzeugungsprognosetools sowie einer automatisierten Anlageneinsatzplanung soll der Netzmanager im Netzparallelbetrieb Flexibilitäten im elektrischen Verhalten des Industrienetzes gezielt aufdecken, die für eine Vermarktung der möglichen Systemdienstleistungen zur Stützung des öffentlichen Netzes genutzt werden. Im Umkehrschluss sollen Leistungsspitzen vermieden werden, um die elektrischen Energieversorgungskosten des Industriebetriebs zu senken. Dafür soll auch ein modulares, dezentrales Lastmanagementsystem entwickelt werden, welches in der Lage ist, den Energieverbrauch der unterschiedlichen Produktionsprozesse zu managen.
Um bei Prognoseschwankungen und unvorhergesehenen Ereignissen den Inselnetzbetrieb zu stabilisieren, werden neben der Planung der fluktuierenden Energie- und Leistungsflüsse auch zentrale und dezentrale Regelverfahren benötigt. Dazu wird das Zusammenspiel der im Industrienetz angeschlossenen Windenergieanlagen, Photovoltaik-Anlagen als auch der Lastmanagementsysteme mit einen netzbildenden Batteriespeicher untersucht und Handlungsempfehlungen für die Auslegung der Regelmechanismen abgeleitet. Eine Besonderheit des Gesamtkonzepts liegt darin, dass die Verbrauchslast die maximale Batteriespeicherleistung deutlich übersteigt. Bisherige Inselnetzbetriebskonzepte basieren dagegen auf einem Kraftwerk (z. B. Wasserkraftwerk) oder einem Batteriespeicher mit ausreichend großer gesicherter Leistung. Weitere Schwerpunkte sind die Entwicklung geeigneter Betriebsstrategien für eine kontrollierte Netztrennung, den schrittweisen Netzwiederaufbau des Industrienetzes aus dem Schwarzfall als auch für die Resynchronisierung des Inselnetzes mit dem übergeordneten Verbundnetz.
Mithilfe der Inselnetzfähigkeit soll kein dauerhaft autarker Betrieb des Industrienetzes unabhängig vom öffentlichen Versorgungsnetz erreicht werden. Ziel ist es, Industriebetriebe zu befähigen, sich im Falle eines Versorgungsausfalls temporär weiter zu versorgen und Fertigungsprozesse kontrolliert herunterfahren zu können. Die hierfür entwickelten Managementsysteme sollen darüber hinaus dazu dienen, weitere Potenziale zur Energiekostensenkung und Vermarktung von Dienstleistungen zur Netzstabilisierung zu erschließen. Mit den erarbeiteten Handlungsempfehlungen und Leitfaden für Industriebetriebe als auch der Identifizierung notwendiger Anpassungen gesetzlicher und regulatorischer Rahmenbedingungen soll dazu beigetragen werden, Industriebetriebe als Schlüsselbaustein für eine kostengünstige Umsetzung der Energiewende und als Stabilitätsanker für ein zukünftiges zellulares und dezentralen Energiesystem zu erkennen.
Projektpartner
Forschungsinstitutionen
Technische Universität München
Technische Universität Clausthal
Industriepartner:
Assoziierte Partner:
Siemens Gamesa Renewable Energy GmbH & Co. KG.
Projektleitung: Prof. Dr.-Ing. Oliver Brückl
Projektlaufzeit: 06/2020 - 12/2023
Fördersumme: ca. 1,65 Mio €
Projekthomepage:www.forschungsprojekt-industriezelle.de