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neos

Im Zuge der Energiewende werden die erneuerbaren Energien zur tragenden Säule unserer Stromversorgung. Bis 2025 sollen bundesweit 40-45% des Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen, bis 2050 sogar 80%. Dabei wird der erzeugte Strom hauptsächlich aus Wind und Sonne stammen. Im Norden der Bundesrepublik wird Wind die Erzeugung dominieren, während im Süden, insbesondere in Bayern der Strom vornehmlich aus Photovoltaik gewonnen werden wird. Um die Ziele der Energiewende zu erreichen, wird neben den ausreichenden Erzeugungskapazitäten auch eine leistungsfähige Infrastruktur zur Verteilung und Nutzung des erneuerbaren Stroms notwendig sein. Planbarkeit und Sicherung der Versorgungsqualität bei zunehmenden Anteilen von volatiler Erzeugung werden dabei zu einer immer größeren Herausforderung.

Das Projekt neos baut auf Grundlagen auf, die im Rahmen von bereits abgeschlossenen Projekten am ZAE Bayern und der OTH Regensburg erarbeitet wurden. In neos wird die umfangreiche Datenbasis aus den im bisherigen Projekt „Smart Grid Solar“ (SGS) betrachteten Niederspannungsnetzen durch eine systematische Ausweitung der Datenerfassung auf höhere Netzebenen ausgebaut. Darüber hinaus wird das Reallabor durch neue Technologien aus den Bereichen der Transformatoren und Regelkomponenten ergänzt, um diese im Betrieb zu charakterisieren. Die Erkenntnisse aus dem Betrieb im Reallabor werden genutzt, um geeignete Modelle für die physikalische und wirtschaftliche Simulation zu entwickeln und diese mit Eingangsdaten zu füllen. Aus diesen Modellen werden dann Betriebsstrategien entwickelt und im Reallabor validiert. Dadurch entsteht ein Systemverständnis, welches leicht transferierbar ist und auf andere Netzgebiete übertragen werden kann.

Ausgewählte Projektergebnisse

Messdatenerfassung

Ein Ziel von neos besteht im Know-How-Aufbau auf dem Gebiet der Erfassung hochfrequenter Vorgänge bis 170 kHz in der Mittelspannungsebene. Hierzu wurden verschiedene Netzanalysatoren und Spannungswandler angeschafft und auf ihre Eignung hin untersucht. Die meisten Geräte erreichten erst während der Projektlaufzeit Marktreife, mit Rückkopplungen aus neos heraus und durch neos initiierte Abstimmungen zwischen den Herstellern, zumal die erhältlichen Netzanalysatoren hier im Grenzbereich ihrer Hardware arbeiten. Die ersten Auswertungen der Messungen in vier HS/MS-Umspannwerken zeigen derzeit keine erhöhten Oberschwingungsbelastungen im supraharmonischen Bereich. Das Messequipment kann auch genutzt werden, um Schaltvorgänge zu analysieren oder selbst Überspannungen in ihrer Höhe und Dauer zu erfassen, Die Messungen laufen noch mindestens ein Jahr über das Projektende hinaus.

Innovative Transformatorkonzepte

Der regelbare Ortsnetztransformator bietet ein enormes Potential zur Einbindung von Verbrauchern und Erzeugern in die Niederspannungsebene, da das planbare Spannungsband um etwa 8 Prozentpunkte vergrößert wird. Entgegen der häufig verbreiteten irrtümlichen Ansicht spielt es dabei keine Rolle, wie sehr die einzelnen Niederspannungsstränge sich – selbst in der zeitgleichen – Netznutzung (inhomogene Belastung) differieren. Im Projekt wurde dies anhand von systematischen Belastungssimulationen relevanter Netzzustände mit Kombinationen aus verschiedenen Lastverbrauchscharakteristiken, PV-Einspeisungen und Ladeleistungen für die Elektromobilität bestätigt. Dabei zeigt sich, dass der RONT bereits mit der Standardregelung (auf konstante Sammelschienenspannung) die allermeisten zukünftig in der Realität anzutreffenden spannungskritischen Situationen löst. Bei Einsatz intelligenter Regelverfahren (z. B. lastflussabhängige Sollwertregelung) im Grunde genommen auch Spannungsprobleme aller theoretisch erdenklichen Netzszenarien beseitigen kann. Limitierender Faktor für die Aufnahmefähigkeit des Netzes ist damit in der Regel nur die Stromtragfähigkeit der Betriebsmittel.

An der OTH Regensburg wurde zudem ein Regelalgorithmus für Transformatoren entwickelt, der das nutzbare Spannungsband durch zeitweise Verringerung der Regelbandbreite vergrößert. Dazu ist lediglich ein einfacher, nicht redundant oder ausfallsicherer Spannungssensor notwendig. Im Projekt wurde die Funktionsfähigkeit dieser Regelung unter Einbezug von Smart-Metern in einem Feldversuch im Dauerbetrieb gezeigt. Dieses weltweit neue Regelverfahren bietet für den Netzplaner den Vorteil, dass er einen sofortigen Spannungsbandgewinn realisieren kann, der für den Anschluss neuer Netznutzer genutzt werden kann.

Spannungsqualität

Bisher weist Deutschland höchste Versorgungsqualität in der elektrischen Energieversorgung auf. Allerdings berichten einige Unternehmen in Bayern bereits von höheren Anforderungen an diese und von ersten potenziellen Beeinträchtigungen beispielsweise durch automatische Wiedereinschaltungen (AWE). Die Untersuchungen im Projekt weißen darauf hin, dass es lokal zwar zu einem Anstieg dieser Ereignisse kommt, im gesamten Netzgebiet von 2015-2020 aber keine signifikante Erhöhung festzustellen ist. Die Auswertungen deuten darauf hin, dass die höhere Empfindlichkeit der Verbraucher, insbesondere von Steuereinrichtungen, ursächlich für die Zunahme von Ausfällen ist. Dafür spricht auch, dass Geräte auch bei geringeren als in den Normen zur elektromagnetischen Verträglichkeit vorgeschlagenen Störintensitäten zu Ausfällen neigen. Die Ursachen für die den AWE vorausgehenden Erdschlüsse waren im Projekt nicht in allen Fällen identifizierbar. Ebenso entfalten einige Gegenmaßnahmen ihre Wirkung nicht nachhaltig. Von Seiten der Netzbetreiber können daher derzeit nur bei bekannter Ursache wirkungsvolle Maßnahmen ergriffen werden. Gleichzeitig und grundsätzlich müssen aber die Betriebe eine deutliche Erhöhung der Störfestigkeit ihrer Anlagen vorantreiben und durch organisatorische Maßnahmen die Auswirkungen von Anlagenausfällen verringern. Hierzu werden im Endbericht konkrete Handlungsempfehlungen mit Best-Practice-Beispielen angegeben.

Zukünftige Netzbelastungen

Netzbetreiber müssen in Zukunft neben den erneuerbaren Energien auch die Elektromobilität effizient, für den Kunden höchst komfortabel, aber dennoch für die Volkswirtschaft möglichst kostengünstig integrieren. In neos wurde daher eine Simulationsumgebung geschaffen, die basierend auf statistischen Bewegungsdaten, z. B. aus der Mobilitätsstudie Deutschland, Ladeprofile für Elektrofahrzeuge generiert. Dabei werden Ladungen zu Hause, am Arbeitsplatz, an öffentlichen Normalladepunkten sowie Schnelladestationen berücksichtigt.

Die immer bessere Verfügbarkeit von Messzeitreihen aus dem Netz lässt vermehrt die Frage aufkommen, ob die Auslegung der Netze mit zwei Lastfällen noch zeitgemäß ist. In neos wurde daher der höhere Aufwand einer zeitreihenbasierten Netzsimulation dem zusätzlichen Nutzen entgegengestellt. Dabei zeigt sich, dass durch die Erfahrung der Netzplaner eine gute Abschätzung der Spannungsverhältnisse im Netz durch die zwei bisher auslegungsrelevanten Lastfälle erreichbar ist. In Netzen mit zusätzlichen Regeleinrichtungen (z. B. lastflusssabhängiger Sollwert am HS/MS-Transformator) stößt diese Betrachtungsweise jedoch an ihre Grenzen. Hier bringen zeitreihenbasierte Netzmodellierungen einen deutlichen Genauigkeitsgewinn, so dass dadurch die Notwendigkeit von Netzausbau besser beurteilt werden kann. Einen grundsätzlichen Vorteil verschaffen zeitreihenbasierte Netzmodellierungen bei der Identifizierung von Fehlparametrierungen in der Blindleistungsregelung von Erzeugungsanlagen, die in der Praxis häufiger anzutreffen sind.