FlexNetHassfut
Projekthintergrund
Um die Energiewende möglichst kosteneffizient und zeitnah umzusetzen, sind Netzbetreiber zunehmend gefordert, Flexibilitätsoptionen zu identifizieren und zu nutzen, um den Bedarf an konventionellem Netzausbau zu minimieren. Aktuelle Konzepte zur Nutzung von Flexibilitätsoptionen, beispielsweise im Rahmen des Festlegungsverfahrens der Bundesnetzagentur gemäß § 14a EnWG, basieren in der Regel auf einer direkten Steuerungsmöglichkeit durch den Netzbetreiber. Gemäß § 13 Absatz 1 EnWG sind Netzbetreiber verpflichtet, vorrangig marktbasierte Maßnahmen zu ergreifen, um potenzielle Gefährdungen oder Störungen der Netzsicherheit und -zuverlässigkeit, auch infolge von Netzengpässen, präventiv zu vermeiden. Ergänzend hierzu sieht § 14 c EnWG die transparente, marktgestützte und diskriminierungsfreie Beschaffung von Flexibilitätsdienstleistungen vor. Eine potenzielle marktbasierte Maßnahme stellt die Implementierung dynamischer, netzzustandsabhängiger Netzentgelte dar.
Projektvorhaben
Im Rahmen von FlexNet Haßfurt wird ein umfassender Ansatz zur Gestaltung dynamischer Netzentgelte entwickelt, um Verbraucher durch gezielte Preissignale zu einem flexibleren Energieverbrauch zu motivieren. Da das Reaktionsverhalten von Verbrauchern auf Preissignale nicht eindeutig vorhersagbar ist, entsteht ein wahrscheinlichkeitsbasiertes Modell, das gesicherte und ungesicherte Flexibilitätsanteile ableiten soll. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Analyse der Wechselwirkungen zwischen dynamischen Netzentgelten und dynamischen Strompreisen, um deren Einfluss auf Wirksamkeit und Verfügbarkeit von Flexibilitätsoptionen zu bewerten.
Darüber hinaus wird eine Methode zur Abbildung verschiedener Flexibilitätsoptionen in der Netzplanung entwickelt, deren Praxistauglichkeit bewertbar gemacht und evaluiert werden soll. Ergänzend dazu entsteht ein stochastisches Optimierungsmodell zur Einsatzplanung von Flexibilitätsoptionen, das eine kostenoptimale Nutzung dieser Ressourcen ermöglicht.
Damit die entwickelten Konzepte praktisch umgesetzt und erprobt werden können, wird auf der Verbraucherseite der Einsatz intelligenter Steuerungsalgorithmen erforderlich, die Endgeräte wie Wärmepumpen oder Speicher automatisch anhand dynamischer Preissignale regeln können. Dafür soll eine durchgängige Signalkette entwickelt werden, von der Preissignalbildung beim Netzbetreiber über die Kommunikation zum Kunden bis hin zur automatisierten Anwendung bei Haushalts- und Industriekunden. Diese Signalkette wird im Rahmen einer Felderprobung technisch umgesetzt und der Einsatz der dynamischen Netzentgelte hinsichtlich der Netzdienlichkeit evaluiert.
Ein weiterer Projektschwerpunkt ist die Weiterentwicklung koordinierter Abstimmungsprozesse zwischen Netzbetreibern verschiedener Spannungsebenen, um eine effiziente und wirtschaftlich sinnvolle Nutzung von Flexibilitätsoptionen über alle Netzebenen hinweg zu ermöglichen.
Abschließend sollen neben den technischen Fragestellungen auch die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen analysiert werden. Es wird das Ziel verfolgt, konkrete Vorschläge für die Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmens zu erarbeiten, um den Einsatz flexibler Netzlösungen langfristig zu fördern.
Aufgaben der Forschungsstelle für Energienetze und Energiespeicher
Die OTH Regensburg verfolgt das Ziel, eine Methodik zur Gestaltung dynamischer Netzentgelte im Mittel- und Niederspannungsnetz des Stadtwerk Haßfurt zu entwerfen, zu implementieren und zu erproben. Dabei soll Flexibilität sowohl bei Haushaltskunden als auch bei Industriebetrieben generiert und in der Netzplanung sinnvoll abgebildet und bewertet werden.
Im Mittelpunkt steht die Entwicklung eines Konzepts für dynamische Netzentgelte, das ein bedarfsorientiertes, netzdienliches Verhalten der Netzkunden fördern soll. Hierfür werden Korrelationsanalysen zwischen Marktsituationen und Netzbelastungen durchgeführt und ökonomische Referenzwerte für verschiedene Netzausbausituationen ermittelt. Dadurch soll die Bewertung der wirtschaftlichen Effizienz dynamischer Netzentgelte im Vergleich zu klassischen Netzausbaumaßnahmen ermöglicht werden. Aus der Gestaltung der dynamischen Netzentgelte soll ein Verfahren erarbeitet werden, das aus dem Preissignal eine Flexibilität ableitet und diese in einen gesicherten Anteil, der für die Netzplanung und Betriebsführung planbar ist, sowie einen ungesicherten Anteil, zum Beispiel für betriebliche Optimierungen, unterteilt. Ziel ist es, dynamische Netzentgelte zusammen mit weiteren Flexibilitätsoptionen und Lösungsansätzen als Maßnahmen zur Engpassbewirtschaftung in der Netzplanung abzubilden und zu integrieren. Um mögliche Einsparpotenziale zu identifizieren und eine volkswirtschaftlich effiziente Strategie für die Nutzung von Flexibilität zu ermitteln, muss eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchgeführt werden. Dabei werden die Kosten der dynamischen Netzentgelte den Aufwendungen alternativer Flexibilitätsoptionen (z. B. Redispatch) sowie den Investitionen in Netzverstärkungen oder -ausbau gegenübergestellt.
Zur Untersuchung der Umsetzbarkeit und Quantifizierung der Kundenreaktionen auf die dynamischen Netzentgelte wird eine Felderprobung durchgeführt. Das Konzept zur Ableitung von dynamischen Netzentgelten soll dazu bei beteiligten Haushalts- und Industriekunden implementiert werden, um die Anpassungen im Verbrauchs- und Einspeiseverhalten sowie deren Einfluss auf die Netzbelastung zu analysieren. Darüber hinaus soll die Flexibilitätsgenerierung auch mit veränderter Ausprägung der dynamischen Netzentgelte simulationsbasiert untersucht und bewertet werden.
Damit Flexibilitätsressourcen von vor- und nachgelagerten Netzbetreibern nicht gegenläufig eingesetzt werden und nach Möglichkeit sogar optimal für die Netzengpassbewirtschaftung auf allen Spannungsebenen aufgeteilt werden, ist ein Verfahren zu entwickeln, das eine effiziente Kommunikation und Abstimmung im Falle eines Flexibilitätsbedarfs ermöglicht. Dieses Verfahren muss klare, abgestimmte Rahmenbedingungen beinhalten, die eine koordinierte Nutzung der Flexibilität sicherstellen. Dadurch wird gewährleistet, dass Flexibilitätsmaßnahmen optimal aufeinander abgestimmt werden, um die Netzstabilität zu unterstützen und mögliche Konflikte zwischen den beteiligten Netzbetreibern zu vermeiden.
