Historie
Vorgeschichte
Einen konkreten Zeitpunkt des Beginns der Entwicklung eines regelbaren Ortsnetztransformators lässt sich nicht eindeutig festmachen. Vielmehr ist der heutige RONT ein Resultat vieler und verschiedener Entwicklungsschritte und Aktivitäten unterschiedlicher Firmen, Forschungseinrichtungen und Personen. Es darf davon ausgegangen werden, dass schon zu Beginn der Elektrifizierung Überlegungen dazu existierten. So stellt beispielsweise die Fa. Walcher m. W. bereits seit 1959 ihren sog. Netzregler her, welcher allerdings kein RONT im herkömmlichen Sinne ist, sondern zur Familie der sog. „Strangregler“ zählt und klassischer Weise bei extrem langen Ausläufern eingesetzt wird.
Transformatorhersteller experimentierten immer wieder mit dem Einbau von Laststufenschaltern in kleine Verteilungstransformatoren, um diese regelbar zu machen. So hat Ende der 1990er Jahren die Siemens Transformer Austria Weiz (STA Weiz) sieben Verteilungstransformatoren mit Stufenschaltern der Baureihe V der Fa. Maschinenfabrik Reinhausen (MR) für die EnBW ausgestattet. Eingesetzt wurden diese für die Eigenbedarfsversorgung von Kraftwerken. Da jedoch der V-Schalter für Ströme von bis 400 A und Spannungen von bis zu 123 kV konzipiert ist, kann man hier von einem Stufenschalter mit angebautem Transformator sprechen.
Entwicklung erster RONT-Konzepte
Schon etwas früher wurde Anfang der 1990er Jahre in den Niederlanden durch die Fa. SMIT Transformers die Entwicklung eines RONT angestoßen. Deren Motivation lag jedoch nicht darin, Spannungsanhebungen durch dezentrale Einspeisungen aus zu regeln, sondern die Spannung im Verteilungsnetz möglichst hoch zu halten, um die Netzverluste zu minimieren. Folglich wurde ein Konzept gewählt, welches die Spannung kontinuierlich und nicht diskret in Stufen, wie bei einem Laststufenschalter-geregelten Transformator, anpasst. Die technologische Basis bildet eine leistungselektronische Schalteinheit, die im PWM-Modus zwischen zwei Wicklungsanzapfungen hin und her schaltet. Wohl aus Kosten- und Platzgründen konnte sich dieses RONT-Konzept bislang nicht durchsetzen, obwohl es bereits seit 2004 serienreif unter dem Namen SmartTrafo® vermarktet wird. Allerdings ist dieses Konzept für spezielle Anwendungen erfolgreich.
In Deutschland setzte die konkrete Entwicklung eines RONT erst 2003 ein. Auf Initiative von Prof. Windmöller von der RWE wurde das sog. VINDE-Projekt ins Leben gerufen. Projektpartner waren neben der RWE die Fa. SGB, die TFH Bochum sowie das Ingenieurbüro c.te. Deren Konzept basiert auf einer Thyristorschalteinheit mit diskreten Stufen. Bei diesem Transformator war die Leistungselektronik noch außerhalb des Transformators in einem separaten Steuerschrank untergebracht. Erste Feldversuche starteten 2007 im Netz der RWE. Ursprünglich war eine Projektlaufzeit bis Ende 2006 angesetzt. Daran schloss sich eine zweite Phase an. 2011 hat man ein Redesign der Elektronik durchgeführt. Seit Juni 2011 hat die ct.e GmbH eine Kleinserie von fünf 10-kV-RONT in verschiedenen Ortsnetzen der RWE in Erprobung, die bislang störungsfrei die Einhaltung des Spannungsbandes sicherstellen. Bei dieser Bauform des elektronisch regelbaren Transformators ist die Leistungselektronik in Form von Kompaktleistungsmodulen in einem Flanschgehäuse direkt am Transformator verbaut. Die Ansteuerung der Kompaktleistungsmodule erfolgt über Lichtwellenleiter. Aktuell wird die 10-kV-Lösung industrialisiert und eine 20-kV-Variante entwickelt.
Entwicklung des GRIDCON®Transformer
Mitte 2007 war der Zeitpunkt, in dem ich aus einer Diskussion mit einem ehemaligen Kommilitonen heraus die Idee eines RONT aufgegriffen und in die Fa. MR, meinen ehemaligen Arbeitgeber, getragen habe. Nach vielen Überlegungen und Diskussionen wurde schließlich Mitte 2008 mit der Vorentwicklung eines RONT durch MR begonnen. Mag dies heute recht unkompliziert klingen, waren die Anfangsjahre doch sehr beschwerlich. Es gab nahezu keinerlei Informationen über dieses Thema oder anderen Entwicklungsprojekten (mit Ausnahme des SmartTrafo® der Niederländer) geschweige denn klare Bekenntnisse bzw. Wünsche der Netzbetreiber zu einer solchen Lösungsmöglichkeit. Wesentlichen Schub leistete mein Zusammentreffen mit Hr. Bäsmann von der N-ERGIE Netz GmbH Ende 2008 in Bamberg sowie kurze Zeit später mit Hr. Schmiesing von der E.ON Avacon AG. Beide standen hinter dieser Idee, wenngleich noch große Unsicherheiten herrschten ob der Baugröße, der Wartungsintensität und der Kosten.
Kein zusätzlicher Bedarf an Grundfläche in einer Station, keine Wartung über 30-40 Jahre und unter 10.000 € Zusatzkosten waren die hohen Prämissen für einen RONT. Mit diesen beiden Netzbetreibern und der Zuversicht, die Anforderungen an einen RONT zu erfüllen, ging es dann mit Hochdruck daran, eine geeignete Lösung zu entwerfen und umzusetzen.
Die E.ON Avacon setzte zunächst eine klassische Lösung auf Grundlage des V-Schalters als Dauerlösung in Siedenburg 2010 ein. Von den Abmessungen her war dieser RONT aufgrund des V-Schalters sehr voluminös, er diente aber in erster Linie zur prinzipiellen Erfahrungsgewinnung über das Potenzial der Netzausbauvermeidung. Somit kann die E.ON Avacon behaupten, den wohl ersten RONT im Serieneinsatz gehabt zu haben. Die Avacon hat im Anschluss ein eigenes Forschungsprojekt mit dem Namen „e-home Projekt“ (www.ehomeprojekt.de) durchgeführt. Zwischen Juni 2011 und Mai 2012 wurde dazu eine Interimslösung der MR eingesetzt, die danach durch die erste speziell als RONT entwickelte Serienlösung ersetzt wurde. Ziel war es u. a. verschiedene Regelstrategien zu erproben und den RONT in die Netzplanung und Netzführung zu integrieren. So ist auch die Avacon der erste Verteilnetzbetreiber weltweit gewesen, der den RONT als Standardnetzbetriebsmittel eingeführt hat.
Im Februar 2011 ging dann die deutschlandweit erste Lösung mit nahezu unveränderten Transformator-Maßen in Länge und Breite im Ortsnetz von Larrieden bei Feuchtwangen im Netz der N-ERGIE in die Praxiserprobung. 2012 wurde dieser Pilot durch die erste Serienlösung basierend auf der Vakuumschalttechnologie dauerhaft ersetzt. Dieser GRIDCON® Transformer genannte RONT ist nach Angaben der MR zum heutigen Tage mit einem Marktanteil von über 50 % die am weitesten verbreitete Lösung.
Im Nachhinein kann festgestellt werden, dass mit diesen Ereignissen und der Berichterstattung darüber der Durchbruch dieses Themas auf den Fach-Tagungen gelang. Ab Ende 2011 setzte sogar eine Nachfrage seitens der Veranstalter ein. Der RONT wurde zunehmend als Lösung ernst- und aufgenommen.
Entwicklung des FITformer®REG
Neben den genannten Entwicklungsteams beschäftigte sich auch die Fa. Siemens mit einer eigenen Lösung. Als Startpunkt kann wohl auch das Jahr 2007 genannt werden, soweit es die Patentanmeldungen schlussfolgern lassen.
Die Schaltung der ersten Version des neu entwickelten Produktes FITformer®REG bestand zu dem Zeitpunkt im Wesentlichen aus Vakuum- und Luftschützen, Widerständen sowie einer Steuerung und ermöglicht eine dreistufige, unterspannungsseitige Lastregelung.
Der oberspannungsseitige Anzapfungsbereich steht weiterhin zur Verfügung, zusätzliche Verluste durch die Regelungseinheit treten nicht auf. Das erste funktionale Modell wurde bei der E.ON Mitte eingesetzt. Die kontinuierliche Weiterentwicklung führte zu der aktuellen Version, deren wesentlicher Unterschied darin besteht, dass keine Vakuum- sondern nur noch Luftschütze verwendet werden und die Steuerungseinheit abgesetzt wurde und somit in der ONS frei platzierbar ist. Seit Ende 2012 ist der FITformer®REG genannte Siemens-RONT auf dem Markt erhältlich.
Konzepte mit Strangreglern
A.Eberle arbeitet seit Juli 2009 an einer Lösung zur Regelung der Ortsnetze, allerdings nicht in Form eines klassischen RONTs, d. h. direkte Anpassung des Übersetzungsverhältnisses, sondern als sog. Nachschaltgerät zu einem ungeregelten Ortsnetztransformator. Technologisch handelt es sich dabei um einen Strangregler, bei dem Zusatztransformatoren in die Leitung eingebracht werden und der leistungsmäßig so hoch bemessen ist, dass er direkt nach den Ortsnetztransformator geschaltet werden kann. Nach einem Demonstrator an der Hochschule Schweinfurt erfolgte im Juli 2012 eine Erstinstallation beim Energiedienst Rheinfelden. Mittlerweile sind acht Piloten mit unterschiedlicher Ausprägung (3 x einphasig, dreiphasig) in der Praxiserprobung und eine Serienfertigung aufgebaut. Heute wird das Produkt unter dem Namen LVRSysTM (Low Voltage Regulation System) vertrieben.
Einen weiteren Meilenstein in der Regelung von Niederspannungsnetzen setzte die AEG Power Solution mit ihrer Thyrobox VR. Wie der Name schon andeutet, basiert diese Lösung auf Thyristoren, mit der man die Spannung kontinuierlich regeln kann. Dieser Strangregler entstand in enger Zusammenarbeit und auf Anregung der Stadtwerke Lippstadt, ausgelöst durch den geplanten Zubau einer 150-kW-PV-Anlage im Frühjahr 2012. Der Prototyp konnte bereits nach 4 Monaten in Betrieb genommen werden. Danach erfolgte die Optimierung der Regelung und Industrialisierung einer 125-kVA-Variante.
Die ABB bietet mit dem PCS100 AVC eine Marktlösung an, mit der die Spannung kontinuierlich geregelt und sogar für kurzzeitige Unterbrechungen abgesichert wird. Diese Regeleinheit wurde allerdings nicht vor dem Hintergrund der dezentralen Einspeisungen, sondern schon früher zur Absicherung von empfindlichen Fabriken (z. B. Halbleiterfertigung) entwickelt.
Zu erwähnen ist noch die norwegische Fa. Magtech. Sie bietet einen RONT an, der in einem Gerät einen ungeregelten Transformator mit einem Strangregler vereint.
Mittlerweile arbeitet auch GE an einer eigenen Lösung zur Regelung von Niederspannungsnetzen basierend auf einem Strangreglerkonzept.
Fazit
Man darf erwarten, dass noch weitere Firmen Lösungen präsentieren, aber auch, dass sich nur wenige durchsetzen werden. Es bleibt also spannend, wie sich das Thema RONT im Detail weiterentwickelt. In jedem Fall wird es unser Stromversorgungssystem grundlegend verändern. Allerdings bedarf es einiger Zeit, bis das Know-How im Umgang mit dem RONT bei allen Netzbetreibern vorhanden ist und geeignete Rahmenbedingungen in Normung und Regulierung geschaffen sind. Dazu unterstützt seit 2016 nun auch der FNN die Verteilnetzbetreiber mit einem Technischen Hinweis zum Umgang mit dem RONT.