Netze / Netzkategorien
Methodik des Systemvergleichs
Der Systemvergleich wird für reale und beispielhafte Mittel- und Niederspannungsnetze durchgeführt. Als Niederspannungsnetze dienen vier selbst definierte Netze sowie 17 Musternetze von Georg Kerber [1]. Die Netze werden aufgrund ihrer Transformatorbemessungsleistung, ihrer Netztopologie (Strangzahl, Leitungstypen, Leitungslängen) und der Zahl ihrer Verknüpfungspunkte (Haushalte, Landwirtschaften, Gewerbe) in vier Kategorien eingeordnet. Eine Beschreibung der Grundklassifizierung kann [1] entnommen werden , der auf [2-4] verweist. Hier wird eine Einteilung in Land-, Dorf- und Vorstadtnetze vorgenommen. Da in der Kategorie Land Einzelanschlüsse (“Weiler”) bis und kleine NS-Netze vorkommen, wurde aufgrund der Streuung der Ergebnisse in einer Kategorie eine Neueinteilung vorgenommen. In Anlehnung an die Benennung von Siedlungsstrukturen wurden die Kategorien Vorstadt, Markt, Dorf und Weiler definiert. Die Klasse Vorstadt stimmt dabei mit der gleichnamigen aus [1] und die Klasse Markt mit der Kategorie Dorf aus [1] überein. Die Klassen Weiler und Dorf ergeben sich durch Aufteilung der Kategorie Land aus [1]. Mit dieser Anzahl an Netzen ist es möglich, Netzmerkmale zu identifizieren, über die Rückschlüsse auf die optimalen Netzausbauvarianten abgeleitet werden können.
[1] Kerber, G.: Aufnahmefähigkeit von Niederspannungsverteilnetzen für die Einspeisung aus Photovoltaikkleinanlagen.
Dissertation, TU München, 2011
[2] Scheffler, J.: Bestimmung der maximal zulässigen Netzanschlussleistung photovoltaischer Energiewandlungsanlagen
in Wohnsiedlungsgebieten. Dissertation, Universität Chemnitz, 2002
[3] Hübert, M.: Großflächige Einbindung dezentral verteilter Photovoltaikanlagen in regionale Energieversorgungssysteme.
Dissertation, TUniversität Paderborn, 1995
[4] Schilling, M.: Raum- und Siedlungsstrukturmodell zur vereinfachten Beschreibung der räumlichen
Verteilung photovoltaisch nutzbarer Flächen. Dissertation, Universität Paderborn, 1992
Netzausbau / Netzausbaubedarf
Im Fokus der Untersuchungen steht der Einfluss der Erzeugungsanlagen (EZA) auf den benötigten Netzausbau. Ein Anstieg in der Verbraucherlast, wie sie z. B. durch die Elektromobilität kommen mag, wird nicht näher untersucht. Als EZA wurden PV-Anlagen gewählt. Der Zubau von Erzeugungskapazität erfolgt in diskreten Schritten und umfasst den Bereich von 0 bis 100 % des möglichen Dachflächenpotenzials (d. h. es befindet sich an jedem Anschluss eine EZA). Zusätzlich betrachtet der Systemvergleich in jedem Netz und für jede Primäroption zwei Extremvarianten. Bezogen auf die vorhandene Ortsnetzstation im Startnetz erfolgt die Installation von Erzeugungskapazität vom Stranganfang (Best-Case) oder Strangende (Worst-Case) her.
Lösungmaßnahmen / Primäroptionen
Nach jedem Zubau von Erzeugungskapazität wird die maximale Spannungsanhebung berechnet. Bei Überschreiten der in [2] verankerten 3 Prozentpunkte wird eine der unten stehenden Lösungsmaßnahmen ergriffen.
Zur Analyse verschiedener Ausbaupräferenzen wird jeweils eine dieser Optionen als Primärmaßnahme gewählt. Primärmaßnahme ist dabei die Maßnahme, die zur Reaktion auf das erste Spannungsbandproblem in einem Netz zum Einsatz kommt. Der weitere Netzausbaubedarf ist von der Ausbaupräferenz abhängig und erfolgt mit Sekundäroptionen. Dies sind Maßnahmen klassischen Netzausbaus. Sie werden zur Behebung von Spannungsband- und Überlastungsproblemen eingesetzt, bis an jeder vorgesehenen Stelle im Netz eine Photovoltaikanlage installiert ist.
[2] VDE | FNN: Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz. VDE-AR-N 4105:2011-08.
Lastflusssimulationen
Durch den Zubau von Photovoltaikanlagen ergibt sich in jedem Zubauschritt eine neue Netzsituation, die untersucht wird. Die Simulationen gliedern sich dabei in zwei Stufen:
Statische Simulation
- Einspeisefall als relevante Netzsituation definiert
- Bestimmung des Netzausbau/ Netzoptimierungsbedarfs anhand der Auslastung der Betriebsmittel (max. 100 %) bzw. der maximalen Spannungsanhebung
- Grundlage für den Netzaus- bzw. -umbau
- Einsatz verschiedener Lösungskonzepte zur Spannungshaltung
Dynamische Simulation (Zeitreihen)
- EZA-Charakteristiken auf Basis von Messdaten
- Last-Charakteristiken auf Basis von Standardlastprofilen und eines probabilistischen Blindleistungsverhaltens (aus Messdatenanalyse)
- Differenzierung für Sommer, Übergangszeit und Winter
- Berücksichtigung von guten, wechselhaften und schlechten Witterungsverhältnissen
- Hochrechnungsmodell für energetische Größen pro Jahr
- Energetische Bewertung mit Hilfe von Lastgangsimulationen
Als Simulationssoftware wird DIgSILENT PowerFactory eingesetzt. Mit der statischen Simulation wird nach jedem Zubau von Erzeugungsanlagen der Netzausbaubedarf ermittelt. Erfolgt eine Netzausbau- oder -umbaumaßnahme, so werden die Lastflüsse dynamisch und unter Berücksichtigung von Jahreszeit und Wetter durchgeführt. Hierfür sind Einspeiseprofile von realen Photovoltaikanlagen im Simulationsskript hinterlegt.
- Der Systemvergleich erfolgt unter vergleichbaren Randbedingungen (gleiches Netz und gleiche EZA Entwicklung)
- Die Ergebnisse der „Bottom-Up-Simulation“ der NS-Ebene dienen als Eingangsdaten der MS-Simulationen
Blindleistungsverhalten
Die Ergebnisse der statischen und dynamischen Simulationen werden in eine Datenbank eingepflegt. Aus den Daten werden für jedes Netz und jede Ausbauvariante eigene PQ-Diagramme berechnet, die die Belastung der Betriebsmittel und den Bildleistungshaushalt darstellen.
Jeder Kreis in der Grafik stellt einen Betriebspunkte zu einem definierten Zeitpunkt (d. h. Simulationsschritt) des jeweiligen Netzes dar. Betrachtet wird dabei der Verknüpfungspunkt des Netzs, d. h. die Oberspannungsseite des Ortsnetz- oder Umspannwerktransformators. Bei Betrachtung beispielhafter Ergebnisse aus der NS-Ebene (nachfolgende Grafiken) ergibt sich nachts oder an Tagen mit geringer bis keiner Einspeisung aus dezentralen Erzeugungsanlagen die Situation, dass sämtliche Punkte auf der Linie rechts der Ordinate liegen. Es fließt dann also positive Wirkleistung mit leicht kapazitiven bis induktivem Charakter über den Ortsnetztransformator. Genau betrachtet handelt es sich bei dieser Linie allerdings nicht genau um eine Gerade. Die gekrümmte Linie verdeutlicht, dass der Leistungsfaktor nicht über die bezogene Scheinleistung konstant ist.
Sobald es zu einer ausreichend hohen Einspeisung kommt, existieren auch Arbeitspunkte links der Ordinate. Abhängig davon, wie stark die Einspeisung ist und mit welchem eingespeist wird, wandern diese Arbeitspunkte stärker in den zweiten Quadranten. Liegt ein Punkt genau auf der Ordinate, so wird der Transformator mit reiner Bildleistung belastet. Je weiter die Punkte sich nach links bewegen, desto größer wird die Rückspeisung in das vorgelagerte Netz. Die farbliche Unterscheidung markiert die drei untersuchten Jahreszeiten (orange: Sommer, gürn: Übergangszeit und blau: Winter), welche jeweils aus 3 einzelnen Wochen bestehen die unterschiedlichee Wetterlagen abbilden. Daraus ist auch erkennbar, dass im Sommer die Rückspeisung am größten ist, während im Winter der Bezug maximal wird. Auf der Webseite wird jeweils nur das P-Q-Diagramm zum Simulationsende (d. h. bei maximalen EZA-Zubau) dargestellt, da hier die Effekte am deutlichsten sichtbar sind.
Die Analyse des P-Q-Verhaltens wird am Verknüpfungspunkt zur überlagerten Netzebene durchgeführt, d. h. am Ortsnetz- oder Umspannwerktransformator.
Berücksichtigt wird:
- Q-Verhalten von Netzbetriebsmitteln (Leitungen und Transformatoren)
- Verbrauchern (Haushalt, Gewerbe, Landwirtschaft, Industrie)
- Erzeugungsanlagen (bei aktiver U-Q-Regelung)
In der unten stehenden Abbildung sind beispielhafte PQ-Diagramme für den Lastfall, sowie die verschiedene Primärmaßnahmen dargestellt. Diese Darstellung verdeutlicht das Blindleistungsverhaltens des betreffenden Niederspannungsnetzes bei einem bestimmen Durchdringungsgrad und Wahl eines bestimmten Spannungshaltungskonzeptes.
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
Eine dynamische Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ermittelt für jeden simulierten, technisch bedingten Netzausbaupfad Gegenwartswerte. Neben den Investitionen werden auch Betriebs-, Verlust- und ggf. Abregelungskosten berücksichtigt. Besonders wichtig ist ein nachvollziehbarer Standpunkt für die Betrachtung, da dieser die Aussagekraft bestimmt. Als Bezug eignet sich die natürliche Anschlusskapazität (???). Sie ist der Zeitpunkt, an dem in einem Netz zum ersten Mal spannungsbandbedingter Netzausbaubedarf besteht. In konkreten Netzen erfolgt der Kostenvergleich in absoluter Höhe.
Infografiken für jedes Netz
Die dynamische Investitonsrechnung liefert Ergebnisse, die im Kontext der gewählten Szenarioparameter interpretiert werden müssen. Dazu werden Ergebnisblätter für die oben definierten Szenarien erstellt.
Für jede Auswertung sind folgende Parameter angegeben:
- Primärmaßnahme und weiterer Netzausbau(-bedarf)
- Zubaurichtung (SA, SE)
- Bezugszeitpunkt (z. B. NAK)
- Betrachtungszeitraum (z. B. ab NAK bis DDG_max, mit n Jahren Netzentwicklung)
- Zubauszenario (EZA-Zubau über n Jahre)
- Zins- und Inflationsszenario