Blindleistungsmanagement
Bei der Blindleistungsmanipulation wird der Spannungsfall durch eine gezielte Beeinflussung des Blindleistungsverhaltens einer Kunden- oder Kompensationsanlage verändert. Bei der Beschreibung der Blindleistung ist es entscheidend, ob man von Bezug oder Abgabe spricht. So ist der induktive Bezug äquivalent zu einer kapazitiven Blindleistungsabgabe und umgekehrt. Dies ergibt sich aus Betrachtungen im Verbraucher- und Erzeugerzählpfeilsystem. Alle nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf das Verbraucherzählpfeilsystem. Der bezogene Wirk- und Blindstrom führt zu einer Phasenverschiebung und Änderung des Betrages des Spannungszeigers entlang der Betriebsmittel. Hierbei gelten vereinfacht die Zusammenhänge:
- induktiver Blindleistungsbezug wirkt spannungssenkend (untererregter Zustand),
- kapazitiver Blindleistungsbezug wirkt spannungsanhebend (übererregter Zustand).
Weitere Details zur Wirkungsweise
Verdeutlichen kann man sich diese Zusammenhänge, wenn man das Zeigerdiagramm in Abbildung 9 betrachtet. In diesem ist der Einspeisefall für das in Abbildung 8 gezeigte Netz bei cosφ = 1,00 dargestellt. Der komplexe Spannungsfall ergibt mit seinen ohmschen und reaktiven Anteil ein Spannungszeigerdreieck, welches beim Transformator als Kapp`sches Dreieck bekannt ist. Durch zusätzlichen Bezug induktiver oder kapazitiver Blindleistung durch die PV-Anlage am Strangende (die Wirkleistung wird als konstant angenommen) kommt es zu einer Verschiebung des Stromzeigers in die entsprechend eingezeichnete Richtung. Infolgedessen drehen sich die komplexen Spannungsfälle über der Impedanz der Leitung und des Transformators. Bei induktivem Q-Bezug verringert sich die Zeigerlänge von U_E. Die wirksame Spannungsanhebung, welche der Unterschied der beiden Zeigerlängen ist, würde dadurch verringert.
Da es im Verteilungsnetz nur zu einer geringen Verdrehung zwischen der Spannung am Anfang und am Ende einer Leitung kommt (Lastwinkel), wird der Einfluss auf die Spannungsanhebung bzw. den Spannungsfall vor allem durch die Manipulation des Längsspannungsfalls (Terme ohne j) bestimmt. Aus der nachfolgenden mathematischen Beschreibung des komplexen Spannungsfalls längs am Ortsnetztransformator und der NS-Leitung (vgl. Abbildung 10) ist ersichtlich, dass in den Termen des Längsspannungsfalls die Blindleistung Q in einem Produkt mit der Reaktanz der Netzbetriebsmittel (Transformator oder Leitung) vorkommt. Folglich begünstigen Betriebsmittel mit einer hohen Reaktanz die Wirkung der Blindleistungsmanipulation. Im Stromnetz sind dies typischerweise Transformatoren und Freileitungen.
- Un: Spannung am Netz
- Uss: Spannung NS-Sammelschiene
- Un: Spannung am Ende der Leitung
- IL: Strom Leitung
- IT: Strom Transformator
In Abbildung 11 ist der Verlauf des Spannungsniveaus eines einfachen Netzmodells mit einer 40-kW-PV-Anlage in 500 m Entfernung zur Ortsnetzstation bei verschiedenen Betriebspunkten visualisiert. Grün eingezeichnet sind die Verläufe bei Verwendung einer Freileitung (70-AL1/11-ST1A) und rot bei Nutzung eines Kabels (NAYY 4×150 SE). Beide Leitungen haben ungefähr die gleiche thermische Grenzleistung von ca. 190 kW. In Fall a) wird keine Blindleistung bezogen, in Fall b) wird ein cosφ = 0,90 eingestellt (Blindleistung beträgt ungefähr die Hälfte der Wirkleistung) und in Fall c) wird zusätzlich eine PV-Anlage mit 100 kW und cosφ = 0,90 berücksichtigt.
Obwohl die Freileitung und das Kabel eine annähernd gleiche Stromtragfähigkeit aufweisen, führt die Wirkstromeinspeisung auf der Freileitung (Δu_AE ≈ 5%) auf etwa doppelt so hohe Spannungsanhebungen im Vergleich zum Kabel (Δu_AE ≈ 2,6%). Dies erklärt sich im Wesentlichen aus den unterschiedlichen Querschnitten (bessere Kühlung bei Freileitungen). Mit untererregter Fahrweise der EZA kann die Spannungsanhebung auf der Freileitung um rel. 1,3 % auf (Δu_AE ≈ 3,7%) verringert werden. Beim Kabel fällt die mit rd. 0,6-%-Punkten deutlich geringer aus.
Die in Fall c) zusätzliche PV-Anlage dient zur Veranschaulichung der Wirkung Weiterer im Netz befindlichen blindleistungsfähigen Kleinanlagen, deren Blindleistungsflüsse sich am Transformator überlagern. Da dieser eine hohe Reaktanz aufweist, über die ein hoher induktiver Strom fließt, kommt es trotz Rückspeisung von Wirkleistung zu einem Spannungsfall über dem Transformator, wie im Lastfall. Diese Spannungsanhebung darf aber nicht angerechnet werden, wenn der Transformator regelbar ist.
Betrachtet man die MS-Ebene so überlagern sich hier die Blindleistungsflüsse aus den unterlagerten NS-Netzen mit denen der MS-Kundenanlagen (Verbraucher/Erzeuger). Am UW werden diese dann von der HS-Ebene ausgeglichen.
Durch die Nutzung zusätzlicher Blindleistung erhöht sich allerdings auch der Scheinstrom auf der Leitung und somit die Verluste. Bei einem cosφ = 0,90 erhöht sich beispielsweise der Strom um 10 % gegenüber einem cosφ = 1,00. Da die Verluste quadratisch mit dem Strom anwachsen, erhöhen sich diese um 21 %.
Zudem ist zu beachten, dass der Einsatz von Blindleistung für die Spannungshaltung den Blindleistungshaushalt des Verteilungsnetzes beeinflusst. Vor diesem Hintergrund gewinnt das Thema Blindleistungsmanagement eine immer stärker werdende Bedeutung. Hinweise zur Umsetzung eines solchen finden sich im FNN-Hinweis „Blindleistungsmanagement in Verteilungsnetzen“.
Blindleistung wird manipuliert durch: